Immer wieder dieses »wider«

Zwischen Widder und widerborstig, das sagt doch alles!
Zwischen Widder und widerborstig...

Immer wieder stoßen wir im Lektorat auf Formulierungen wie: „Wider besserem Wissen hat der Große Vorsitzende (GroVo) des Großen Vereins (GroVe) die Einnahmen aus seinen Spekulationsgeschäften nicht versteuert.«

Möglicherweise reimt sich mancher noch einen Wink mit dem Genitiv-S hinzu und die grammatische Monstrosität kommt wie eine Krebsgeschwulst ins graphematische Endstadium: »wider besserem Wissens«…

 

Die Präposition »wider« ist mit dem Akkusativ verknüpft. Sie wissen schon, der 4. Fall, in dem man »Wen oder was?« fragt. Der Beispielsatz lautet daher nach der Korrektur:

»Wider besseres Wissen hat der GroVo des GroVe die Einnahmen aus seinen Spekulationsgeschäften nicht versteuert. (Und dafür fährt er ein!)«

 

Nun hilft bei Begriffen, die geschlechtlich weder Fisch noch Fleisch sind, die Eselsbrücke mit der Frageprüfung nicht recht weiter. Es heißt »das Wissen«, und das antwortet einfach nicht auf die Frage »Wen?« mit einem fröhlichen »Ich!« (Außer am Niederrhein, besser: im Niederrhein, wo Ihnen aus allen Ecken Personalpronomina entgegengeworfen würden: »Wem ist Auto dat in de Einfaht?« – »Mir is dat Auto!« Abschweifungen…)

 

Hülfe es zu sagen, dass das S des »das« in der Antwort »Wider das bessere Wissen, dass der Staat auch (gerade!) beim Zocken Steuern heckt…« auf die Frage »Wider wen oder was hat der GroVo gehandelt?“ rübergemacht hat zum vermeintlich Besseren »besseres Wissen«? Vermutlich hülfe es nicht. Wir möchten Sie nicht wider besseres Wissen verwirren…

 

Genauso diese anderen Früchtchen, die sich dann und wann in eine Widerborstigkeit kleiden, als ob ein sudeliges Stachelschwein je ein feines Nerzlein sein könnte:

»Verständnis«, »Gefühl« etc. – verdammtes Neutrum! Und dann will die schnöde Gewohnheit, die sich Praxis nennt, auch noch, dass die Präposition mit Possessivpronomen befruchtet wird: »Wider mein Verständnis«, »wider sein Gefühl« etc. Zum Glück kann der Lektor ein Satzgebräu, das so verkorkst anfängt, gleich in den Abguss schütten und an seiner statt (des Gebräus, nicht des Lektors) eine andere Pulle aufmachen. Prost!

 

Aber es gibt auch andere übliche Verdächtige, die ihre Geschlechtsmerkmale herzeigen: Einsicht, Intuition, Erfahrung, Hoffnung. (Notabene: Alles sehr feminin.)

»Hoffen wider alle Hoffnung« heißt es in irgendeinem Kirchenlied sowie - das gibt sich so gut wie nichts - in einem Buchtitel der Star-Wars-Reihe (und natürlich in Max Frischs »Stiller«, den alle zu der Frage zitieren – weil’s im grünen Duden steht. Kopisten!)

Sie hätten auch nicht geglaubt, dass Sie sich einmal über Exhibitionisten freuen könnten, oder?


Und kommen Sie nicht auf die Idee, »entgegen« funktionierte genauso wie »wider«. Völlig andere Nummer. Wir sagen nur: Hier ist der Genitiv dem Dativ sein Tod. Demnächst mehr…

Ihr Textbureau Strauß